[für BAD ALCHEMY 36/2000]
ERNESTO DIAZ-INFANTE muss entweder ein gerissener Hochstapler sein - oder aber ein ganz verschrobener Einzelgänger der Improvisierten Musik. Sein gut dreiviertelstündiger Klavier-Ausritt Solus (Pax Recordings PR 90250) verblüfft durch - Monomanie. Als würde ein Maler seine ganze Ausstellung mit Bildern in der immergleichen, nervös-zerfahrenen Pinseltechnik zuhängen. Soll ich lachen oder weinen? Trauert hier jemand den ästhetischen Gewissheiten der Avantgarde des vergangenen Jahrhunderts nach? Hat Diaz-Infante den Ehrgeiz, ein Jackson Pollock oder Piet Mondrian des Klaviers zu werden? - - - Alles bleibt angenehm in der Schwebe, kippt, dem Können des Künstlers sei es gedankt, nie in plattes Selbstplagiat um. Vielleicht ist Diaz-Infante aber einfach nur ein hart arbeitender Stilist, der seine improvisatorischen Ideen so lange entschlackt und ausgespült hat, bis die folgende Quintessenz übrig blieb: pedalloses ultraschnelles Antippen der Tasten in mittlerer Lage und mittlerer Lautstärke, durchbrochen von gelegentlichen Haltetönen und deutlichen Generalpausen. Mitunter klingt das Piano verblüffend nach Tonband im schnellen Vorlauf, so flott ist der Anschlag des Meisters. Jedenfalls habe ich den Eindruck, bei musikalischen Forschungsarbeiten dabei zu sein, hier wird tatsächlich etwas ausprobiert (was nicht mit "experimentieren" zu verwechseln ist), hier wird eine neue Sprachspielvariante im Praxistest auf ihre Lauffähigkeit hin erprobt. Diaz-Infantes Spiel hört man die Neugier auf den eigenen Output an, ein Phänomen, das im Zeitalter des Missbrauchs von Musik zu Zwecken der Selbst-Erhöhung selten geworden ist. Ja ja, dem Manne scheint es wirklich um die Sache zu gehen, er kämpft sich eisern vorwärts durch immer neue Permutationen seiner selbstersonnenen pianistischen Programmiersprache. Gegen Ende der CD bleibe ich erschöpft und ein wenig ratlos zurück. Und was kommt jetzt? [Bezugsadresse: PAX RECORDINGS, P.O. Box 697, Pacific Grove, CA 93950 USA. E-Mail: itzat@earthlink.net]