Stefan Hetzel
eibelstadt, 2006-07-25
der sprung in den fluss
spitze steine
löchern die sohle
hart
der fuß
lockerweich umspült
krausig
voraus
nur bräunlicher morast
ein glitsch von tückischen brocken
dahinter?
mutig tiefer rein
ein abrutschen ein fallen
dann der sprung: echt mutig der
bauch streift: - sand
umfassende braune kühle
es riecht nach fisch
das kopfhaar hat sich selbständig gemacht
was unter mir dräut will ich gar nicht wissen
es zieht die badehose herunter
so dass die fische meine blöße sehen könnten.
*
eibelstadt, 2004-06-08, gasthof krone
im gnädigen schatten
im gnädigen schatten der
gewaltigen kastanie
verborgen im irgendwo
grast ein reh.
"duck dich!"
"verschluck' dich!" - "mach' dich vom acker!"
zerstör' das gewimmel quälender schmerzen.
&: - empfehle dich dem
sonstwem, wem sonst?
---
schlimmes, schlimmes raunen im blätterwald
abgelebte ode grausen erschütterns
untendran
ein
rad. (so ein fahrrad, zum fahren, mit rädern untendran)
---
mauerecken verstecken
den wahren inhalt
den schrecklichen
den ich fürchte wie nichts auf der welt
ein schweigen
wäre dem entgegenzusetzen ein
beredtes
vorbei die fragen nach dem ursprung
vorbei die fliegen
entgegen dem rauen zuspruch ungehobelter vitalisten
ein bündel von empfindungen sein
eine marionette von eindrücken
ein netzwerk ohne netz und doppelten boden
ein gehäuse ohne schnecke
ein waidwundes reh, franz marc'isch verkitscht ganz in orange
auf müllbedeckter waldlichtung
sterbend, während schon die maden warten
während schon der fuchs um die bäume schnürt (vergisst darueber sogar,
dem hasen "gute nacht" zu sagen)
*
würzburg, 2004-05-18, straßencafé Sanderau
frühling 2004
[fragment]
junge mädchen
tragen stolz ihre
frischgewachsenen
brüste spaziere
die krähen
füttern ihre
frischgeschlüpfte
brut
*
2004, märz
begegnung (cb)
so zarte hüften
elfengleich
bedürfen rasanter pfählung
durch rohes fleisch
auf dass dein herz sich öffne
fuer schwärzlichen abraum eines verlorenen
mein kind
du strahlst mich an noch
unwissend
ahnend
dein körper schreit zu mir herüber
dann erhebst du dich
---
sanftes fragen
in mich dringen
kluger, leicht mokanter blick
ohne verletzungsabsicht
du trägst deine brüste vor dir her
erfüllst den raum schwarzweiss
lugst eilig um die ecke
niemand erreicht dich und deiner schmalen spalte leben
*
eibelstadt, 1998-08-24
regen
peitscht gegen mein schreibtischfenster
während
glass
die farfisa-orgel rührt.
trübsinnige Aussichten
geschmeiß
nur ein weiches
verlangen-nach-umfangen
werden
*
die vergangenen tage
gingen auch vorbei
im allerlei
alltäglichen sinngehubers
vor dem kasten liegen
talkshows
sehr viel haben die sich nicht zu sagen
niemand interessiert sich für etwas,
weil sich alle für alles interessieren
zum Bbispiel für den
modifizierten Zugewinnausgleich
oder das
kapitalerwerbserleichterungsgesetz.
bemerkenswert.
*
weich
liege ich da.
jeder kann in mich hineinstoßen.
jeder kann mich auflösen.
jeder kann mir den garaus machen.
freunde erweisen sich als hyänen, hyänen als freunde.
fruchtloses gebaren, eiertanz zirkulärer nichtssagendheiten.
willemsen weiß es besser.
*
glass
tanzt den farfisa
die bedingtheit von musik
die bedingtheit musikalischen geschmacks.
haben die also auch mal falsch gespielt.
muss lang her sein.
aphorismen sind ein dreck
ein dreck für langweiler, misanthropen, frauenhasser
"stefan, nicht so viele fremdworte!"
wer interessiert sich für die geistesgeschichte eines irgendwer?
*
peitschen
die schläge des regens gegen die marode hauswand
durchlöchern das, was noch von mir übrig ist.
sinnloses herumhetzen im nichts zirkulärer keller-metamorphosen
(kafkaeske existenz)
tötet das verlangen nach dem Anderen.
*
nachdenklich
will ein jeder sein.
sogar gerhard schröder.
*
der tod
ach was muss das schön sein
nicht mehr bei rot über die ampel gehen zu müssen!
*
das leben
wünscht sich den tod mitunter
weil es die eigene lebendigkeit nur noch um den preis der
abstumpfung
ertragen kann.
wünscht sich zum teufel
um die unaushaltbarkeit des gutseinwollens
nicht auf die spitze treiben zu müssen
hat einen widerhaken:
er liegt in der summe dessen,
was wir nicht wollen,
aber dennoch gern zu tun glauben
*
eindruck
kölner straßenmief
selbstbewusste kretins
rennen den zoch entlang
völliges fehlen von selbstkontrolle
völlige selbstvergessenheit
beneidenswerter stumpfsinn.
*
seiffen
zentrum erzgebirgischer handwerkskunst
selten so eine verwahrlosung gesehen
so eine moralische
ewige wiederkehr des gleichen
quantität statt qualität
ist das das ende der welt?
*
reifland, blick aus dem fenster
gänseschnattern, hühnergackern, huskiebellen undsoweiter
der reinste privatzoo
die straße endet hinter dem haus, bei der kläranlage
danach kommt nur noch grünland, wie von gerhard richter gemalt
(so mit unschärfe und so).
mein gott das entspannt
da haut man sich hin ins federdoppelbett
und tastet nach der leere links von
einem.
*
familientreffen
der onkel ist 90.
die tante 75.
die mutti 59.
die schwester 35.
ich bin 32.
macht zusammen
zweihunderteinundneunzig.
*
09/02/92, köln
hyatt regency cologne, modewoche
der wasserfall rauscht
rauschig
man plauscht
plauschig
es mauschelt
mauschelig
ein schwuler ästhet
gesund
rotbackig
feist
verschlingend
gierig
etwas
jetzt
spielt einer klavier
was trauriges
niedriges
holpriges
dann
"imagine"
dann
gar nichts mehr
rausch
plausch
mausch
plastische
öbszone gesten
eines abgearbeiteten
bombesischen straßenjungen
schwanz ab?
klammer im schwanz?
der schwarzhaarige
völlig unmotiviert
wird er unhöflich
schnauzt
artikuliert unwillig
man geht
verläßt den raum
entert einen anderen
ute lemper sitzt noch da
lola-like
*
07/02/92, köln, café libresso, fleischmengergasse
ferkulum
arrogantes arsch
kinnlos gemeißelt
ein jungengesicht
pietistisch, französisch
da wird einer
von visionen gequält
an deren objektivierung
er scheitert
was liest man in diesen gesichtern?
ununterdrückte arroganz
bereitschaft zum spießertum
was sollte man lesen?
die inquisition, den auslöscher
das ferkulum
partielle verrücktheiten
einer ansonsten erfolgreichen
jungen ärztin
eine enttäuschung
ein monströses
ominöses
ein kultisches
kein maliziöses
der cool jazz
stellt ja nur
eine radikalisierung
der antinomien des bebop dar
*
23/12/91, köln, café riese
kein klarer
arbeiterzeitung
modernität
ein kuss ins freie
schwäche im knie
die kleine welt
schwankend
modernität
in der tat
bäume
im strom der gedanken
klarwasser
kornbrühe
*
30/06/91, leipzig
a night out
kackbraun strahlende nacktschnecken
im feuchten morgenwald
dumpfe angst treibt mich in anomie
elster
pleiße
parthe
hauptbahnhof
mövenpicks verkaufszelt dient als schlafstatt
eine frau verbringt die nacht im fotoautomaten
knieend, den kopf auf die sitzplatte gelegt
dann linie 57 hin und zurück
ein wagen hat geheizte sitzflächen
der andere nicht
es wird hell
drei stunden noch
wie totschlagen?
plötzlich: "du bist vollkommen allein."
fast ein weinen
selbstzurückhaltung
ich bin ohne trost, alleingelassen mit
singvögeln, karnickeln, nacktschnecken
auf einem lächerlichen kinderspielplatz
im leipziger westen
auf einer lächerlichen kinderlaufrolle
herumtretend
wie ein lächerlicher gottverdammter idiot
jetzt noch sich die eier aufreißen auf der betonrutsche?
njet!
*
Köln Herkulesstrasse 08/02/90
Ich
Ich der
Grundschlächter
*
08/02/90
(Mein Unglück heisst heute) Maderna
Das falsch überspielte Tonband
Maderna
Alles falsch
Völlig versagt
Keine Souveränität.
Kein Standpunkt.
Erfahrungen für die Katz.
Kein Vorwärtskommen.
Es widert mich an:
Katholizismus und Epilepsie.
die Schatten der Vergangenheit
der Quietismus
der Fotograf
der faschistische Quietist
der Nationalsozialist
das Italienische
der Mussolinifaschismus
Alles verdorben
Keine Befreiung möglich
Jetzt schon schmerzen die Finger
Diese Gichtkrallen
Diese Wichsgriffel
Keine Lockerung möglich
Keine Lockerheit
um den Preis der Unlesbarkeit
"Konzert für Metronome und Singvögel"
Von Konrad Bayer.
Mitglied der Wiener Gruppe.
Ganz wunderbar aber
Maderna
und der Sprung im Vinyl
der Kratzer auf der Schallplatte
der Fehler bis Lennie Tristano.
Das Schwarze
Das Unverdaute
Das Erschreckende
Das Verwünschte
Das Unzugängliche
Das Falsche.
Grundauf Falsche.
von Vornherein Verfehlte
rettungslos Durchgestrichene
das Sich-Verschrieben-Habende
(kaputt, theatralisch)
Keine Souveränität.
Kein Standpunkt.
Erfahrungen für die Katz.
Kein Vorwärtskommen.
"Jetzt steck ich dir meinen Schwanz ins Maul,
dass du ihn lutschen musst
und dran erstickst, dir
das Blut zu den Ohren herausquillt."
Ganz wunderbar aber
Maderna
Mein Unglück heisst heute Maderna.
Maderna heißt es heute.
Und es ist
wie immer
ein großes
endloses
todtrauriges Unglück,
das man überhaupt niemandem weitererzählen kann.
Und wenn man's doch tut,
so ist's feiger Verrat.
Wohin mit all dem feigen Unglück,
dieser Unglücks-Symphonie
dieser Unglücksorgie
diesem Unglückstriumph
diesem Unglücks-Faschismus?
Die metaphysisch-transzendentale Ordnung.
"Ich fick dich tot,
ich treib's mit dir auf dem Fußboden,
vergewaltige dich stumm
schieb von hinten meinen
viel zu großen Schwanz in dei
ne verschimmelte kleine Drecksmöse.
Verstunkene Sau.
Lässt dich so einfach vergewaltigen!
Ich werde auf deinen Rücken spucken.
Werde meine Spucke verreiben zwischen deinen Brüsten.
Werde meinen Schwanz zwischen deine Brüste pressen.
Deine Brüste werden sich blutig reiben an meinem viel zu großen
Schwanz.
Dann werde ich deinen Kopf blutig schlagen..."
Ganz wunderbar aber
Maderna
Diese grundfalsche
grundschlechte
Tonbandaufnahme
wo ich grundschlechter Drecksmensch
grundversagt habe.
Es ist nur ein Rauschen zu hören.
Wo doch eigentlich Musik zu hören sein sollte,
ist nur ein grauenhaftes Grundrauschen
zu hören, welches mir
unausgesetzt
mein
Grundversagen
vor Ohren führt.
*
Ochsenfurt, 27.11.1984
Fotografierwetter
heute raus
Wirklichkeit einfrieren.
lange Gesuchtes rahmen.
doch dann
dumpfer Schmerz hinter den Augen
das Licht frisst die Freude
Unvermögen, zu sehen was
gesehen werden kann
Inspiration,
halbgeborenhalb
herbeigewollt
läuft sich tot.
zurück bleiben
ein paar schöne Bilder
© Stefan Hetzel
Alle Rechte beim Autor.