[für BAD ALCHEMY #33/1999]

Den 30jährigen Pianisten PETER FULDA durfte ich bereits zweimal in concerFrt erleben: einmal als, na sagen wir mal: Liedbegleiter der Kölner Sängerin Christina Cordelia Messner, ein andermal im Duo mit dem "Ugly Culture"-Gitarristen Dirk Mündelein. Fulda macht nicht gerade den Eindruck eines Künstlers, der nicht weiß, was er will. Sein Auftreten ist entschlossen, konzentriert und diszipliniert, ebenso sein Spiel. Selbstgefällige Brillanz ist ihm fremd, im Vordergrund steht die präzise Realisierung ebenso präzis gefasster musikalischer Ideen. Ich habe von Fulda noch kein Solo gehört, stets scheint sein Spiel kontextuell aufzugehen. Eine nicht allzu häufige Eigenschaft bei kreativen Musikern, die einen sicherlich zum beliebten Mit-Spieler macht. Doch was ist mit dem (Klavier-) Komponisten Fulda? Neugierig geworden, besorge ich mir seinen Silberling Fin de Siècle (Jazz4Ever-Records J4E 4724 CD) aus dem Jahre 1995 und: - bin enttäuscht. Weniger von Fuldas Spiel, als von seinem: - Geschmack. Fulda komponiert neo-impressionistisch. Die Fläche siegt über die Linie, der Klang über die Melodie, der Zustand über den Einfall, die Befindlichkeit über den Geistesblitz. Der eher matt und hallig abgenommene Steinway, dessen Haltepedal reichlich gebraucht wird, tut ein Übriges, ein (gewollt!) verschwimmendes Klangbild zu erzeugen. Improvisierte Passagen münden, ähnlich wie bei Fuldas Lehrer Beier, ins Hymnische, Keith-Jarrett-Inspirierte. Fulda übertrifft hier Beier an Brillanz und Einfallsreichtum, z. B. auf "Madonna". Diese Musik thematisiert den Effekt, ohne nach ihm zu haschen. Der Wille zum musikalischen Illusionismus, zum trompe l'oreille, zum l'art pour l'art bestimmt die ästhetischen Entscheidungen. Der verschwiemelte Klappentext eines ungenannten Autors erzeugt dann endgültig ein leichtes, aber hartnäckig sich haltendes Unwohlsein bei mir. "Umrahmt von einem »Es war einmal ...«-Kinderlied winden sich sieben Einzelstücke aus der Tiefe in pastellblaue, glitzernde Luft." Sicherlich leben wir in einem fin de siècle, sogar in einem fin de millénaire, aber wir schreiben das Jahr 1998. Hier aber riecht es nach Restauration, nach tischerückendem Okkultismus, nach schwärmerischem Geniekult. Plötzlich fühle ich mich ausgeschlossen aus dem Kreise der Erwählten. - Doch wer weiß, welchen Eindruck diese Musik auf einen "Jungfräulichen unbeschlafenen Ohrs" Rilke'scher Anmutung macht: "er stürbe an Seligkeit oder er trüge Unendliches aus und sein befruchtetes Hirn müßte bersten von lauter Geburt." ("Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", 1910). Eigentlich schade, dass meine Ohren ihre Defloration schon so gründlich hinter sich haben. [Bezugsadresse: Jazz4Ever-Records, Alfred Mangold, Schwander Straße 17, 90469 Nürnberg]